„Jetzt tauchen wir ins Reich der urigen Buchen und Eichen ein“, sagt er. Dass sich hier der Wald in den letzten 200 Jahren ungestört entwickeln konnten, hat mit den Besitzverhältnissen der Grafen und späteren Fürsten von Waldeck zu tun. Weil sie auch Jäger waren und Ärger mit den Anrainern, also den Bauern vermeiden wollten (banaler Konfliktstoff: Wildschweinschäden) ließen sie ihre ausgedehnten Wälder einzäunen. Heute ist dies die Kernzone des Nationalparks Kellerwald-Edersee und eines der größten geschlossenen Buchenwaldgebiete Europas. Teile wurden 2011 von der UNESCO geadelt: sie gehören jetzt zum transnationalen Welterbe „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“. 

Wir erreichen einen Rastplatz, der „Schöne Aussicht“ heißt. Der Name ist nicht übertrieben. Was für ein grandioser Blick, der auch die Größe des Edersees abbildet. Knorrige Krüppeleichen krallen sich in den Hang, der steil ab zum See abfällt. Um uns herum Rotbuchen, so weit das Auge reicht. Mal kämpfen sie als Jungspunde um ihr Terrain, mal streben sie, fast Zweihundertjährige, erhaben himmelwärts, und immer wieder liegen Veteranen am Boden. Totholz. Aber dieses Totholz ist ein bedeutsamer Lebensraum und Teil des natürlichen Stoffkreislaufs. Denn im Verborgen lebt eine unglaubliche Vielfalt von Organismen; Spechte, Eulen, Fledermäuse oder Hornissen finden Unterschlupf, Winterquartiere oder Platz zum Brüten. Von Mitte Mai bis Juni blüht auf der Südseite des Edersees die rosafarbenen Pfingstnelke – ein Relikt aus der nacheiszeitlichen Flora. Wanderer finden die Rarität auf der vier Kilometer langen Bloßenberg-Route bei Bringhausen

Dieses Motto gilt für alle Nationalparks. Die zentrale Aufgabe: Unsere Naturschätze sollen für künftige Generationen bewahrt werden. Während in einem Nationalpark die Wildnis von morgen entsteht, spielt im Naturpark auch die Nutzung der Landschaft durch die Menschen eine wichtige Rolle. Die heutige Land- und Forstwirtschaft prägt den Naturpark ebenso wie die Burgen, Schlösser und Klöster, stillgelegte Bergwerke, historische Hutewälder oder Fachwerkdörfer aus vergangenen Zeiten. Der Naturpark (in dem der Nationalpark eingebettet ist) bietet eine klassische und sinnlich aufbereitete Umweltbildung für Gäste ebenso wie für Schulklassen an. Im Veranstaltungskalender finden sich über 500 Angebote wie Rangerwanderungen, Abende am Lagerfeuer sowie Vorträge, Führungen und Exkursionen mit ehrenamtlichen Naturparkführern.