Von wegen nur flunderflaches Land – die Region Ostflandern mit den flämischen Ardennen und der vitalen Metropole Gent bietet besonders Genusswanderern wunderbare Möglichkeiten.
„Kurz vor Oudenaarde wurde es spürbar windiger. Von einer kleinen Anhöhe konnte ich die Schelde und den Ort schon in den Blick nehmen – das Ziel von heute. Mein Wandertag würde offiziell im Liedtspark enden, der grünen Lunge von Oudenaarde. Diese großzügige Anlage im Stil eines englischen Landschaftsgartens aus dem 19. Jahrhundert, hatte ich tags zuvor schon besucht. Ebenso wie das Schmuckkästchen der Stadt, das gotische Rathaus, in dem prachtvolle Gobelins aus dem 16. Jahrhundert hängen, die hier gewebt wurden.“ wanderbar!-Herausgeber Ulrich Pramann war in Flandern zu Fuß unterwegs.
Treinstappers – Wandern mit Bus & Bahn
„Treinstappers“ sind Tageswanderungen zwischen 18 und 27 Kilometer Länge. Die Idee: Man fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Start und wandert gewissermaßen heimwärts, also zurück zum Ausgangspunkt – oder umgekehrt. Durch Verkürzungsmöglichkeiten sind die Wanderungen auch für Familien mit Kindern machbar: einfach auf halbem Wege in einen Bus oder den Zug steigen. „Meine „Treinstapper“-Tour hatte mit einer Zugfahrt nach Ronse begonnen. Nach drei Kilometern taucht man in den Muziekberg ein, einen Wald, der wahrlich verwunschen wirkt. Wobei: „muziek“ hat hier nichts mit Musik zu tun – es ist das keltische Wort für Sumpf. Nach einem Regen kann es tatsächlich richtig matschig sein.“
Treinstapper Ronse-Oudenaarde
Gute fünf Stunden ist man zwischen Ronse und Oudenaarde unterwegs. Bald wartet als weiterer Höhepunkt der 148 Meter hohe Geuzenturm, errichtet auf einem Grabhübel. Da oben stand einst der Dichter Pol de Mont, betrachtete die Kulisse und rief beglückt: „Aber das hier sind die flämischen Ardennen.“ So kam die Region zu ihrem Namen. Tatsächlich wandert man durch eine hügelige Landschaft. Dann und wann eine Mühle, ein Dorf. Und dann ist Oudenaarde zu sehen, das Ziel für heute. Über eine der Scheldebrücken wandern, den Marktplatz mit dem spektakulären „Stadthuis“ passieren und im Liedtspark mit Vorfreude auf den Abend bei einem Bierchen oder zwei in einer Brasserie von einer Bank in die Sonne blinzeln.
Die Menschen in Flandern wissen, wie man es sich gut gehen lässt und wie man die Kunst am Genuss zelebriert. Nicht nur in der Spitzengastronomie, auch in vielen der Brasserien sorgen kreative Köche für eine „lekkere“ Fusion aus französischer Raffinesse und niederländischer Bodenständigkeit. In Flandern sind 101 Restaurants (!) mit Michelin-Sternen ausgezeichnet. Zudem machen sie bekanntlich auch die besten Fritten der Welt. Es gibt die weltweit höchste Dichte an Waffelbäckereien und Chocolaterien. Für ihren Genever – wie ihn etwa die Traditions-Brennerei Braekman produziert – und vor allem für die unglaubliche Vielfalt ihrer Biere sind sie ohnehin berühmt. Vor sieben Jahren wurde das Besondere der belgischen Bierkultur offiziell von der UNESCO gewürdigt: Es steht auf der Liste des immateriellen Kulturerbes. Und wer die Flämische Ardennen besucht, sollte unbedingt die Geraadsberger Mattentaarten (Gebäck) oder Geutelingen (Gusskuchen) probieren.
Sie dürfen sich in diesem kleinen, feinen Land durchaus als kulturelle und künstlerische Großmacht betrachten. Einst holten die Mächtigen für Prestigebauten die besten Köpfe und Handwerker nach Flandern. Stolze Städte wie Antwerpen, Brügge, Leuven, Gent oder Oudenaarde präsentieren sich mit architektonischem Reichtum, während die Landidylle mancher Dörfer an Renaissance-Gemälde von Pieter Bruegel dem Älteren erinnern, der als „Bauernbruegel“ bekannt wurde. Und zu den Seebädern an der Nordsee ist es in Flandern auch nicht weit.
Flandern ist vor allem Radlerland – noch!
Oudenaarde, Zielort des Radsportevents „Flandern-Rundfahrt“, wird alle Jahre wieder Anfang April zum Mittelpunkt der Radwelt und der nahe Koppenberg, nur 78 Meter hoch, zum Schicksalsberg der Radelite. Dass Flandern so fahrradverrückt ist, liegt an der perfekten Infrastruktur: ein großes, gut ausgebautes Netz von Radwegen und viele B&B-Pensionen und Cafés, die sich auf die speziellen Bedürfnisse von Freizeitradler eingestellt haben. Die wissen natürlich: Flandern lässt sich wunderbar per Rad erkunden – in einem ruhigen, selbstbestimmten Tempo. Eine Blaupause, die für die Wanderszene taugt?
Tatsächlich entwickelt sich Flandern auch mehr und mehr zum Wanderland und lockt auch internationales Wanderpublikum. Insgesamt gibt es in Flandern ein Netz von 4800 Kilometer Wanderwegen. Für VISITFLANDERS hat das Portal komoot.de die attraktivsten Wanderrouten und Outdoorziele thematisch zusammengestellt.
Gewandert wird quasi „nach Zahlen“. Vor 30 Jahren entwickelte der Ingenieur Hugo Bollen das Knotensystem: An Kreuzungspunkten (Knoten) stehen Holzpfosten mit Nummern die zum nächsten Knotenpunkt weisen. Mithilfe einer Wanderkarte und dem Zahlensystem kann sich jeder nach eigenen Vorstellungen (Länge, Dauer, Schwierigkeitsgrad) seine Tour zusammenstellen. Allerdings: Man sollte sich die Knotenpunktzahlen in der richtigen Reihenfolge notieren und als Spickzettel dabeihaben.
TIPPS zum Wandern in FLANDERN
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Der Zug aus Oudenaarde braucht nur zehn Minuten nach Munkzwalm, wo die Wanderung zu den Knotenpunkten 68, 5, 6, 7, 10, ... beginnt. Ein verheißungsvoller Auftakt: Durch die hügelige Landschaft schlängelt sich das Flüsschen Zwalm, und unter Buchen und Eichen blühen Hyazinthen, Buschwindröschen oder die violette Schuppenwurzen, die nur in den flämischen Ardennen zu finden ist. Nach einem guten Kilometer am Zwalmbeek entlang landet man in „Klein Zwitserland“. Ein lässiges Lokal, das regionaler Küche bietet. Sieben Wassermühlen können Wanderer unterwegs sehen. Und bei Kilometer 7,84 kommt schon die nächste Chance zur Einkehr: „De Klokke“. Früher war das mal ein Rathaus, heute wird feine flämische Küche geboten. Am Wochenende steht ein spezielles „Wandelrouten“-Menü (Preis: 62 Euro) auf der Speisekarte. Das „De Casino“ im Zwalm-Dorf Dikkele (Kilometer 9,99), ist eine gemütliche Kneipe in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Aber das Biersortiment ist auf dem neuesten Stand: große Auswahl. Da muss man genau überleben, wie viel geht. Für die restlichen Kilometer Rückweg nach Munkzwalm stehen schließlich noch die Knotenpunkte 80, 79, 78, 69, 2 und die 1 auf dem Zettel.
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Das schöne Wäldchen östlich von Oudenaarde und kann in der Zahlenkombination 25, 26, 32, 31, 30, 34 und 24 auf einem Rundweg erkundet werden. Der Wald hat sich in den letzten 12 000 Jahren zum Grubenholz- und Kohlelieferant für die Stahlwerke entwickelt. Dass viele Wege mit dem typischen Kopfsteinpflaster ausgelegt sind ist dem feuchten Boden zu verdanken. Und dann, zwischen Knotenpunkt 32 und 31, stehen man vor dem Kaninchenberg. Ein großer Buckel auf einer Wiese. Vor ein paar Hundert Jahren haben ihn Dorfbewohner aufgeschaufelt, als geeigneten Buddellebensraum für Kaninchen, die Händler aus Spanien einführten. Warum dieser Aufwand? Kaninchen vermehren sich doch wie die Kaninchen – und »lekker« sind sie ja auch.
Wer diese Geschichte nicht kennt, wird vermutlich achtlos am Kaninchenberg vorbeilaufen, wie auch an der unscheinbaren Fassade des Huis Beaucarne im Dorfzentrum von Ename. Dahinter verbirgt sich ein Kulturjuwel. Im Anwesen ist das Interieur komplett erhalten.
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Afsnee ist ein hübsches Dorf an einer der vielen Schleifen der Leie. Der neun Kilometer lange Wanderweg führt in offenes Ackerland. Rechter Hand passiert man große, schön eingewachsene Grundstücke, bebaut mit mehr oder weniger großen Immobilien. Bevorzugte Wohngegend solventer Genter. Bevor es ins Naturschutzgebiet „Keuzemeersen“ geht, erreichen man als Knotenpunkt die Goedingebrücke, um über die E40 zu kommen: die Autobahn ans Meer. Der Weg wird bald zum feuchten Vergnügen, die Leie und viele kleine Kanäle prägen das Naturschutzgebiet. Für Wanderer mal ein Abenteuer der ganz anderen Art.
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Die Altstadt der Metropole Ostflanderns ist auf Fußgänger zugeschnitten: Autos sind seit sechs Jahren weitgehend verbannt. Zu sehen gibt es viel: Alte Pflastergassen. Die Zunfthäuser, Glanzstücke der reichen Vergangenheit. Die eindrucksvollen Türme Belfried oder Sint-Niklaastoren. Die vitalen Uferpromenaden Korenlei und Graslei. Das De Krook, die markante neue Bibliothek an einer Schelde-Schleife. Die Kanäle, die die City durchziehen. Und mittendrin Gravensteen, die trutzige Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert. Sie galt als uneinnehmbar. Bis zum 19. November 1949, da besetzten 138 Studenten die Burg – sie protestierten gegen die Erhöhung der Biersteuer. Gent sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Allerdings: Für nur zwei, drei Tage bietet die Stadt einfach viel zu viel. Die verführerischen Delikatessengeschäfte. Die Top-Adressen für Chocolatiers wie „Deduytschaever“ oder „Yuzu“. „Het Waterhuis aan de Bierkant“ oder das urige „Café de Dulle Griet“ haben 150 bzw. 500 Biersorten im Ausschank und füllen sich ab 18 Uhr mit meist jungen Leuten. Dazu all die pfiffigen Lädchen. Schrullige Kneipen, coole Restaurants, hippe Cafés. Die lebendige Studentenszene. Kein Wunder: Jeder Vierte der 260 000 Einwohner hat einen Studentenausweis.
Weitere Aktivitäten in FLANDERN
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Neun Ikonen Radwege verbinden die schönsten Plätze der flämischen Landschaft rund um ein zentrales Thema. Alle Ikonen Radwege sind vollständig und in zwei Richtungen beschildert, so auch die Schelderute. Die Schelde fließt, aus Frankreich kommend, von Süd nach Nord durch Belgien und mündet in den Niederlanden in einem großen Delta zusammen mit Maas und Rhein in den Ärmelkanal. Beim Fahrradurlaub an der Schelde wechseln sich Natur- und Kulturerlebnisse immer wieder ab. Städte wie Oudenaarde, Gent oder Antwerpen sind ideal für einen Zwischenstopp, sei es zum Übernachten oder die reiche Kultur zu erleben. Ganz nach Lust und Laune kann man immer wieder die Uferseite der Schelde wechseln. Am schönsten ist das mit Nutzung einer der zahlreichen Fähren. In Antwerpen kann man den hier fast 600 Meter breiten Fluss sogar durch einen denkmalgeschützten Fußgänger- und Radfahrertunnel queren.
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Ob schwankender Sumpfpfad über Bohlenwege, Hängebrücken und Podeste, baarfuß über Sand, Kies oder durch Matsch, abenteuerliche Kayaktouren zu einer geheimnisvollen Insel im See „Donkvijver“ oder erste Versuche mit einem SUP – einem Stand-Up Paddle – Abenteuer und Spaß sind garantiert und man kann nach Herzenslust loslegen und sich verausgaben oder einfach nur die Natur genießen. Beim Outdoorveranstalter „The Outsider Vlaamse Ardennen“ können Einzelpersonen, Schulklassen oder Gruppen unter Anleitung eines gut geschulten, motivierten und engangiertem Team an ihre Grenzen gehen, ihr Teamwork festigen und neue Horizonte erreichen.
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Die wasserreiche Region links und rechts des mäandernden Flüsschens Leie lässt sich am besten auf dem Wasser entdecken. Rund 30 Bootsverleiher vermieten Boote unterschiedlicher Art und Größe, mit oder ohne Bootsführerschein, mit oder ohne Skipper. Die Auswahl reicht vom Ruderboot für romantische Stunden in der herrlichen Natur über umweltfreundliche, leise Elektroboote bis zur restaurierten Motorbarkasse für Gruppen-, Schul- oder Firmenausflüge. Sogar Partyboot-Ausflüge mit einem renommierten DJ sind möglich. Wer die Wasserstraßen der Region, in der Natur oder in den historischen Städten über mehrere Tage erkunden möchte, dem legen wir einen Aufenthalt in einem Ferienhaus oder B&B mit Boot ans Herz. Wer während des Bootsausflugs hungrig wird, legt mit seinem Boot einfach an einem der „Terassen-Restaurants und -Brasserien an. Sie liegen direkt am Wasser und haben eigene Anlegestege für Gäste, die übers Wasser kommen.